Stütz-Unterricht für Depperl-Deutsche?
von
Franz Aschenbrenner teilweise im Bayerwald-Echo
Mittelbayrische Zeitung – Lokalausgabe für den
Landkreis Cham vom 17.02.2002
Liebe
Mitbürgerinnen und Mitbürger,
den Schulen
wird zuweilen vorgeworfen, die Schüler nicht genügend für das Leben
vorzubereiten.
Zumindest in einem Punkt mag dieser
Vorwurf gerechtfertigt sein: Die Schulen machen die Schüler zu wenig vertraut
mit dem neuen Misch-Deutsch – von manchen Denglisch oder Engleutsch genannt -,
das unaufhaltsam auf dem Vormarsch zu sein scheint. Auf Denglisch/Engleutsch
würde man sagen: Die Schüler erhalten zu wenig Unterstützung, um fit for
life zu sein.
Dies ist meine Erfahrung als
Englisch-Lehrer an der Werner-von-Siemens-Schule Cham (Berufsschule).
Obwohl die Schüler 6 bis 9 Jahre
Englisch gelernt haben, verstehen sie häufig nicht, was z. B. eine „Home
Care“-Firma (Firma befindet sich in Cham-Ost.) oder ein „Company Call“
bei der Deutschen Telekom ist.
(Einmal drückte ein Schüler sein
„Sprach-Unwohlsein“ so aus: „Man kommt sich manchmal vor wie ein Depp“. Dieser
Ausspruch hat mich zu obiger Überschrift angeregt. Wir sollten uns allerdings
fragen, auf welcher Seite eigentlich die (Sprach-)Depperl sind.)
Ich erachte es daher als nützlich, den
Schülern eine Art sprachliche Lebenshilfe zu geben, und habe die Behandlung von
denglischen/engleutschen Ausdrücken in unseren Unterricht aufgenommen.
Dabei kam ich auf den Gedanken, ob es nicht allgemein Pflicht der Schule ist, diese Lebenshilfe zu bieten. Das sollte zumindest so lange geschehen, bis die deutsche Sprache wieder verständlicher geworden ist. In die Lehrpläne der Schulen im Fach Deutsch müsste also das Lernziel aufgenommen werden: Verstehen der gängigen denglischen/engleutschen Ausdrücke.
Dies ist nur auf politischem Weg
erreichbar. Zu überlegen wäre, für diese Forderung Unterschriften zu sammeln,
um das Anliegen mit Gewicht beim Kultusministerium, bei Parteien und sonstigen
gesellschaftlich wichtigen Gruppen vorbringen zu können. Über die
Zweckmäßigkeit eines solchen Vorhabens hätte ich gerne mit Interessierten
gesprochen. (Anschrift am Ende dieses Artikels)
Im Folgenden
möchte ich noch einmal an zwei Geschichten „aus dem wirklichen Leben“
beispielhaft darlegen, wie stark der Bedarf an Lebenshilfe sein kann.
Über diese
Begebenheiten hat zwar schon das Bayerwald Echo berichtet, nicht wenige
Leserinnen und Leser der Chamer Zeitung haben mich jedoch gefragt, ob
die Texte nicht auch in ihrer Zeitung abgedruckt werden könnten.
Was hat die Challenge einer Bahn im Fun Park am Hohen Bogen mit dem/den Headquarters
der CDU/CSU in Berlin gemeinsam?
Ein Verwandter
von mir fährt zum Skifahren zum Hohen Bogen. An der Talstation trifft er einen
Kunden (über unseren Landkreis hinaus bekannter Unternehmer). „Gut, dass ich
Sie treffe. Ich hätte da eine Frage“, begrüßt ihn der Unternehmer. „Wissen Sie,
was „Spät Bahn“ bedeutet?“ Mein Verwandter denkt kurz nach und muss sein
Unwissen bekunden. „Keine Ahnung. Vielleicht eine Bahn, die zu später Stunde noch in Betrieb ist. Oder
hat es mit der Brauerei Späth in
Furth zu tun? Vielleicht hat diese Brauerei irgendeine Bahn gestiftet, eine
Kegelbahn oder sonst eine Bahn.“ Der Unternehmer zeigt auf ein Schild: „Schauen
Sie, dort.“ Mein Verwandter sieht das Schild. Darauf steht „Speed
Bahn“.
Da geht ihm ein Licht auf: „Ach, das!
Das ist ein englisches Wort. Das wird nicht „spät“ ausgesprochen, sondern
„spied“. Das heißt Geschwindigkeit, Schnelligkeit. Speed Bahn bedeutet
wahrscheinlich Schnell-Bahn. Aber was man darunter genau versteht, weiß ich
auch nicht.“ Sie gehen auseinander, ohne den Sprach-Fall geklärt zu haben.
Mein
Verwandter erzählt mir die Geschichte, weil er meint, ich als Englisch-Lehrer
könnte Bescheid wissen.
Ich weiß es
auch nicht. „Aber“, sage ich zu ihm, „die Sache kann sicher geklärt werden.“
Ich rufe bei der Gemeindeverwaltung in
Neukirchen b. Hl. Blut an. Ich bekomme die freundliche Auskunft, dass es sich
um eine Bahn für Inline-Skater
handle. Das sei das neue Deutsch. Eigentlich sei das nicht Deutsch, sondern
Englisch. Aber das sei einfach modern. Das klinge besser. Auch die ganze Anlage
am Hohen Bogen werde deshalb als Fun Park
bezeichnet.
Wieder hatte es also einen Deutschen
getroffen, den ein ungnädiges Schicksal nicht Englisch hat lernen lassen,
sodass er mitten im deutschen Bayerischen Wald einer sprachlichen Challenge
(Herausforderung) nicht gewachsen war. Da könnte man Verständnis dafür haben,
wenn einen im Fun Park (fun -
englisches Wort für Spaß) die Traurigkeit überfällt.
Aber nicht nur Leute, vor allem ältere,
die nicht die Möglichkeit hatten, sich Englischkenntnisse anzueignen, kommen
in sprachliche Schwierigkeiten, sondern auch Menschen, die seit vielen Jahren
Englisch lernen, sind der neu-deutschen Challenge oft nicht gewachsen,
wie z. B. neulich die Schüler einer meiner Klassen.
Da es sich in
diesem Fall um einen großen Sprach-Täter handelt - nicht um so einen kleinen
wie bei der Betreibergesellschaft des Fun
Parks am Hohen Bogen - habe ich mir erlaubt, mich an diesen großen
Sprach-Täter zu wenden und ihn zu bitten, uns über sein Sprachverhalten
aufzuklären. Der große Sprach-Täter ist die CDU/CSU.
Hier das Schreiben an die
CDU in Berlin.
(Eine
Klärung bei der CSU in München ist nicht gelungen.)
Die CDU hat „Headquarters“ zurückgezogen und nennt sich jetzt „Team 40 plus“ – eine großartige Idee!
Noch etwas Erfreuliches: Das große Chamer Möbelhaus Haas hat den Werbespruch „Hi, Kids hier sind eure Hits!“ zurückgezogen
und lässt sich etwas Bodenständiges einfallen!
Franz
Aschenbrenner plant einen Aufruf an die Lehrer im Landkreis Cham, die eine
Beschädigung (Verhunzung, Verdeppung) der deutschen Sprache nicht mehr
hinnehmen wollen, das Thema Denglisch/Engleutsch im Unterricht zu behandeln
(insbesondere im Englisch- und Deutschunterricht), auch wenn das (noch) nicht
in den Lehrplänen vorgesehen ist. Er selbst führt dies etwa drei Jahren durch.
Franz
Aschenbrenner unterrichtet Englisch und Sozialkunde an der Berufsschule in Cham
und ist dort stellvertretender Schulleiter.
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Franz Aschenbrenner,
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